Auf diese Frage gibt es sicherlich so viele Antworten, wie es Pfadfinder*innen gibt. Hier eine mögliche Antwort:

Welches innere Bild haben wir vor Augen wenn wir uns den typischen Pfadfinder vorstellen? Sicherlich werden viele beispielsweise an Disney´s Fähnlein Fieselschweif oder ähnliche Figuren denken, auf jeden Fall an jemanden der gerne von Tür zu Tür zieht um Kekse zu verkaufen, der Abzeichen für seine Uniform sammelt und älteren Menschen über die Straße hilft. Jeden Tag eine gute Tat. Irgendwie auch etwas veraltet. Oder etwa nicht? Nun ja, etwas mehr steckt schon hinter den „Pfadis“…

Das zuvor beschriebene Bild hat viel mit den Pfadfindern der englischsprachigen Welt zu tun, wo die Pfadfinderei schließlich auch ihren Ursprung hatte. Seit Robert Baden-Powell 1908 in England die ersten Pfadfinder gründete sind weltweit hunderte Verbände und Gruppen seinem Beispiel gefolgt – so auch 1975 Irmela Bay in Waldstetten, die ihren aufstrebenden Stamm (Ortsgruppe) nach dem Wappentier der Stadt Schwäbisch Gmünd benannte. Sie entschloss sich, dem interkonfessionellen Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder e. V. (BdP) beizutreten, der – typisch für die deutschen Pfadfinder – Teil der vom Wandervogel und anderen bündischen Gruppen stark beeinflussten Jugendbewegung ist. 

Heute hat der Stamm Einhorn circa 120 Mitglieder, die mit rund 38 Millionen anderen Pfadfinder*innen Teil der größten Jugendorganisation der Welt sind. Etwa 50 davon treffen sich jede Woche zu ihren Gruppenstunden im Pfadfinderheim in der Gmünder Straße 2 oder im Wasserturm in Schwäbisch Gmünd. Natürlich gibt es nicht nur Gruppenstunden – das Pfadfinderjahr ist gefüllt von Aktivitäten wie dem jährlichen Pfingstlager, Großfahrten auf der Donau oder nach Rumänien und Norwegen sowie der traditionellen Waldweihnacht, um nur ein paar Beispiele zu nennen. 
Auf den Fahrten und Lagern erleben die Kinder und Jugendlichen Gemeinschaft, Verantwortung für sich selbst und andere zu übernehmen sowie dass die Natur mehr als nur der Grünstreifen zwischen der Autobahn ist. 

An dieser Stelle lohnt es sich, die unterschiedlichen Stufen des BdP zu betrachten, denn sie zeigen, was es bedeutet, ein Pfadi zu sein.
Die Jüngsten im BdP sind die Wölflinge (7 bis 11 Jahre) die als Spielgeschichte das Dschungelbuch von Rudyard Kipling zum Vorbild haben. Wie der Menschenjunge Mogli im Dschungel lernen die Wölflinge spielerisch die Welt zu entdecken. In den Gruppenstunden wird gekocht, gebastelt und vor allem viel in der freien Natur unternommen – ob es nun eine Bachwanderung, das Herstellen von Holunderblütensirup oder Kettenfange spielen ist. Natürlich lernen die Wölflinge dabei spielerisch Hilfsbereitschaft und Fairness sowie die Natur als Spielplatz kennen, der geschützt werden muss. 

Sobald ein Wölfling alt genug ist wird er durch den „Überflug“ in die nächste Stufe willkommen geheißen: den Sipplingen (12 bis 16 Jahre)! Hier stehen andere Aktivitäten im Vordergrund: die Jugendlichen lernen beispielsweise, wie die Kothen und Jurten – die traditionellen Stoffzelte der bündischen Jugend – aufgebaut werden oder haben die Möglichkeit, eigene Projekte wie den Bau eines Pizzaofens zu planen und durchzuführen. Vor allem ist es Tradition, auf Fahrt zu gehen: eine Methode die, inspiriert durch den Wandervogel, vor allem wichtiger Bestandteil der deutschen Pfadfinderei ist. 
So zog es beispielsweise 12 der waldstetter Pfadfinder dieses Jahr auf die Bundesfahrt nach Norwegen, wo sie die Schönheit der dortigen Natur und die Attraktionen der Hauptstadt Oslo erleben konnten. Einer der Teilnehmer meinte dazu: „Auf Fahrt zu gehen bedeutet für mich, sich selbst, die Fahrtengruppe und das Fahrtenland sowie dessen Kultur unmittelbar zu erleben und zu erfahren. Alles was man braucht findet im Rucksack Platz, man ist nahezu komplett auf sich selbst gestellt und muss jeden Tag einen Weg suchen, Essen kochen und einen Schlafplatz finden. Die Belohnung dafür sind die Freiheit der Fahrt und die gemeinsamen Erlebnisse“.

Einer der schönsten Momente des Pfadilebens ist wohl das Pfadfinderversprechen – mitnichten ein Zwang oder ein Versprechen, niemals Fehler zu machen. Im Versprechenstext steht: „Du versprichst nur, dein Möglichstes zu tun: das was Du kannst. Das Versprechen ist eine Kraft; eine Richtung, die Du Deinem Streben gibst. Und so wirst Du immerfort weiterstreben, durch Dein ganzes Leben hindurch, bis zu dem Ziel, das Du Dir gesetzt hast.“

Diese Stufe bietet den Sipplingen in diesem Sinne viele Möglichkeiten mitzumachen und dabei zu sein – wie beispielsweise die vielen Lager und Fahrten, die von den Jugendlichen mitgeplant und durchgeführt werden. Sie überlegen sich zusammen mit den Ranger/Rovern (der ältesten Stufe im BdP) unter anderem eine Spielgeschichte und das dazugehörige Programm, stellen eine Materialliste auf und planen die Anfahrt zum Zeltplatz.

Die letzte Stufe ist die Ranger/Rover Stufe (16 – 25 Jahre), welche die Leiterstufe im BdP ist. Gemäß dem Prinzip „Jugend leitet Jugend“ schnuppern die Jugendlichen in die Gruppenleitung, absolvieren die vom Landesverband ausgerichteten Gruppenleiterkurse und lernen Schritt für Schritt, selbst eine Jugendgruppe zu leiten – all dies geschieht ehrenamtlich.

Grundsätzlich entscheidet jeder selbst, in welchem Umfang er sich engagieren kann und will, ob nun als Gruppenleiter, Materialwart oder sogar als Stammesführer (Vorstand eines Stamms).

Der BdP bietet auch schon in jungem Alter die Möglichkeit, Demokratie und Mitverantwortung direkt zu leben. Auf den Stammesversammlungen wird der Vorstand von allen Mitgliedern gewählt, ebenso wie die Landesdelegierten des Stamms, die sich mit anderen Delegierten aus ganz Baden-Württemberg treffen, um über die Zukunft des Landesverbands zu diskutieren und zu entscheiden. So wurde dieses Jahr unter anderem ein Arbeitskreis für Nachhaltigkeit gegründet und entschieden, dass Wochenendaktionen des Landesverbands zugunsten der Umwelt vegetarisch sein sollen. 

Die Pfadfinder sind also keineswegs veraltet, denn die von ihnen vertretenen und vermittelten Werte wie Hilfsbereitschaft, Verantwortungsbewusstsein, Toleranz, Demokratie und Pazifismus werden das niemals sein.

Der Stamm Einhorn feiert nächstes Jahr sein 45 – jähriges Jubiläum. Viele ehemaligen Wölflinge und Sipplinge sind mittlerweile im Erwachsenenalter und können nicht mehr aktiv am Stammesleben teilhaben. Nichtsdestotrotz begleitet das Pfadfinderversprechen sie weiterhin. Mit einem Zitat, dass Robert Baden-Powell den Pfadfindern mit auf den Weg gab möchte ich schliessen: „Verlasst diese Welt ein bisschen besser, als Ihr sie vorgefunden habt.“

Humbold, September 2019

Es kann nicht kommentiert werden.